Lange Jahre war sich das Gros der Forscher und Ärzte einig: Chronische Rückenschmerzen werden entweder durch Probleme der Muskeln oder der Knochen beziehungsweise Wirbel verursacht. Doch immer wieder konnte bei verschiedenen Patientinnen und Patienten auch nach eingehenden Untersuchungen keine Ursache gefunden werden. Heutzutage geht man davon aus, dass bei bis zu 80 Prozent der Rückenschmerzen die Gründe nicht klar sind – und weder eindeutig den Muskeln, noch den Knochen und Wirbeln zuzuordnen sind.
Dr. Robert Schleip gilt als der Pionier der deutschen Faszienforschung. Seiner Meinung nach haben die Faszien lange Zeit ungerechtfertigerweise ein Schattendasein gefristet. Mittlerweile ist das Thema deutlich besser erforscht und Schleip geht davon aus, dass ein Großteil der „unerklärlichen“ Rückenprobleme auf das Konto von verklebtem, verkürztem oder verhärtetem Fasziengewebe geht.
Was sind Faszien?
Faszien sind ein netzartiger, reißfester Teil des Bindegewebes. Sie durchziehen den ganzen Körper und umschließen alle Muskeln, egal ob Bauch, Po oder in den Fingern.
Mit einer Dicke von wenigen Millimetern ist diese Schicht vergleichsweise dünn. NebenKollagenfasern und Elastin – zwei Stütz- und Strukturproteine des menschlichen Körpers – enthalten Faszien vor allem viel Wasser und Bindegewebszellen, wie Fibroblasten. Sehr spannend ist auch der Umstand, dass sich im Gewebe Nervenzellen und Rezeptoren zur Sinneswahrnehmung befinden.
Dieses Netz der Faszien hält uns in Schwung und ist bei weitem nicht so leblos und unwichtig wie lange Zeit gedacht.
Welche Aufgaben haben Faszien?
Faszien haben ganz allgemein die Aufgabe, verschiedene Bereiche zu umschließen und ihnen dadurch Form und Stabilität zu geben. Die Faszien, die vor allem die Muskeln umgeben, haben dazu weitere Aufgaben wie
- Trennung der einzelnen Muskeln untereinander
- Kraftübertragung von einem Muskel auf den anderen
- Verhinderung der Reibung von Muskeln untereinander
Zudem geht die Wissenschaft inzwischen davon aus, dass auch die Faszien selbst sich zusammenziehen (kontrahieren) können. So sollen sie beispielsweise Muskeln bei federnden Bewegungen und Sprüngen unterstützen.
Doch wichtig ist auch: Faszien müssen stimuliert und im übertragenen Sinne geölt werden. Sie sind ein wundervoller Indikator für unsere Fitness. Wenn du nicht achtsam mit deinen Faszien umgehst, können Faszien ihre Funktionalität einbüßen. Ursachen dafür sind vor allem:
- Bewegungsmangel
- Verletzungen
- Stress
- Physische Überlastung einzelner Bereiche
Die gute Nachricht
Verhärtetes und verklebtes Fasziengewebe ist bis zu einem gewissen Grad immer wieder reversibel.
Egal, ob du gegen akute Verspannung angehen möchtest oder einfach deine generelle Fitness verbessern möchtest, die Beschäftigung mit deinen Faszien hat enorme Vorteile für dich:
- Verbesserung der Muskelgeschmeidigkeit
- Generelle Lockerung des Muskelapparats
- Bewegungsfreiheit für Gelenke und Gliedmaßen
- Verletzungsprävention
Neben dem Faszienrollentraining kann es beispielsweise Sinn machen, dir eine Faszien-Yoga-Studio in deiner Umgebung zu suchen. Im Gegensatz zu vielen aktiven und dynamischen Yoga-Stilen ist Faszien-Yoga ein eher passiver Yoga-Stil, bei dem die Stellungen länger gehalten werden. Sanfte Dehnungen, fließende Bewegungen und intensives Spüren helfen, das Bindegewebe des Körpers zu lockern.
[amazon box=“B003BP5AGA“]Und wenn alle Stricke reißen, kann auch der Gang zu Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Osteopathen nachhaltige Veränderungen bewirken. Allerdings ist das nicht notwendig, wenn du präventiv arbeitest, beispielsweise aktiv Sport treibst, aber auch dabei das Stretching und Faszientraining nicht zu kurz kommen lässt.
Manche Experten gehen sogar so weit zu sagen, dass für jede Minute aktiver Anstrengung zum Beispiel im Fitness-Studio oder beim Joggen eine Minute Mobility-Training Sinn macht, um sich an einem komplett funktionsfähigen Körper zu erfreuen.
Das ist natürlich eine steile These, aber sie zeigt deutlich auf: Mobilität und gesunde Faszien sind für unsere Fitness und unser Wohlbefinden extrem wichtig.
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